„Wie der Wind dreht, so der Euro rollt“

Wind-Futures als neues Geschäftsfeld für Windmüller und konventionelle Kraftwerksbetreiber
Neue handelbare Produkte (“Wind-Futures“) ermöglichen die Besicherung von Windrisiken. Für eine solide Finanzierung von Windprojekten sind stetige Erträge von Vorteil und können unter Umständen zu besseren Finanzierungskonditionen führen. An dieser Stelle können Wind Futures als Instrument eingesetzt werden, um Schwankungen von Windertrag und damit auch Erlösen über die Betriebsdauer auszugleichen. Doch wer bietet sich als Gegenpart eines solchen Geschäfts beziehungsweise Produkts an und kann dabei von den Windmüllern eine Risikoprämie verlangen? Dies dürften insbesondere konventionelle Kraftwerke sein, die in Jahren mit niedriger Windauslastung höhere Deckungsbeiträge erzielen und umgekehrt. Diese enerviews analysieren die Ausgangslage und leiten Handlungsoptionen aus den neuen Produkten ab.

Gründe für Wind Futures

Erhebungen zeigen, dass abhängig vom Standort jährliche Ertragsabweichungen im Vergleich zum langjährigen Mittel in der Größenordnung von +/- 15% in der Vergangenheit durchaus aufgetreten sind. Abbildung 1 zeigt die Abweichung von der langjährigen mittleren jährlichen Vollbenutzungsstundenzahl von Windenergieanlagen in Deutschland.

Abhängig von der Finanzierungsstruktur und der Höhe der Rücklagen können die daraus resultierenden Erlösverluste erhebliche Auswirkungen auf die Finanzierungskonditionen haben. Eine Absicherung der jährlichen Winderträge mit Hilfe von Finanzprodukten wie den seit einiger Zeit diskutierten Wind Futures kann die Zahlungsströme über den Betriebszeitraum der Anlage vergleichmäßigen. Eine Reduktion des Risikos von Ertragseinbußen durch eine Reihung von Schwachwindjahren kann dann im nächsten Schritt zu einer Verbesserung der Finanzierungskonditionen führen. Denn wenn das Risiko einer Illiquidität durch geringe Erlöse und damit einer Gefährdung der Rückzahlung des Fremdkapitals wegfällt, so könnten die Anforderungen der Banken an Rücklagen und der Risikoaufschlag bei den Konditionen sinken.

Gerade vor dem Hintergrund der anstehenden Auktionen kann eine gute Hedging-Strategie somit einen relevanten Wettbewerbsvorteil ggü. anderen Projekten erschließen.

Wie funktioniert ein Wind Future aus Sicht von Windanlagenbetreibern?
Wind Futures sind börsengehandelte, standardisierte Derivate. Basis ist ein Index, dessen Wert von der Auslastung der installierten Windkapazitäten in Deutschland abhängt.

Einem jeden Kontrakt liegt dabei ein Basiswert zu Grunde, in diesem Fall die mittlere Auslastung der Windkapazitäten gemäß dem Index.

Dies sei im Folgendem an einem Beispiel verdeutlicht: Schließt ein Windanlagenbetreiber ein Handelsgeschäft über ein Jahr mit dem Basiswert von 2.200 Vollbenutzungsstunden ab und die mittlere jährliche Auslastung liegt am Ende des Jahres unter dem Basiswert, so ergibt sich daraus für den Betreiber ein Erlös (x €/%-Punkt, den der Index unter dem Basiswert liegt). Im umgekehrten Fall, es liegt ein Jahr mit mehr als 2.200 Vollbenutzungsstunden vor, ist der Betreiber nachschusspflichtig. Die Erlöse aus dem Wind-Future sind also gegenläufig zu den EEG-Erlösen, insgesamt, also in Summe aus den EEG-Erlösen und den Effekten aus dem Wind-Future, kommt es zu einer Vergleichmäßigung der Erlöse. Dies funktioniert dabei umso besser, je stärker die Auslastung eines Windanlagenportfolios mit den durchschnittlichen Auslastungen der Windkraftanlagen in Deutschland korreliert ist.

Nutzen für die Betreiber von konventionellen Kraftwerken
Das Interesse der Windkraftanlagenbetreiber an der Absicherung von Windrisiken ist offensichtlich. Doch wer bietet sich als Gegenpart eines solchen Geschäfts beziehungsweise Produkts an?

Dies dürften insbesondere konventionelle Kraftwerke sein, die in Jahren mit niedriger Windauslastung höhere Deckungsbeiträge erzielen und umgekehrt. So sind in Jahren mit niedrigem Windertrag der Strompreis und die Auslastung der Kraftwerke höher (und umgekehrt), die wirtschaftliche Position von Kraftwerken ist also gegenläufig zu der der Windkraftanlagenbetreiber.

Abbildung 2 illustriert diesen Effekt an einem beispielhaften Kohlekraftwerk und einer typischen Windkraftanlage.

Der Darstellung zugrunde liegt eine Modellierung der Strommarkterlöse für 5 verschieden stark ausgeprägte Windjahre mit dem enervis Fundamentalmodell.

Das Ergebnis zeigt eine gegenläufige Entwicklung von Deckungsbeiträgen bei Windenergie bzw. Kohlekraft. Ähnliche Effekte sind auch bei anderen konventionellen Kraftwerkstechnologien bzw. bei Speichern zu beobachten. Das bedeutet, dass in Jahren geringer Windenergieeinspeisung Kohlekraftwerke höhere Erlöse am Strommarkt realisieren können, da das Preisniveau insgesamt weniger durch die Windenergie geprägt wird. Die Auswirkung der steigenden Deckungsbeiträge für bestehende Kohlekraftwerke liegt kurzfristig bei etwa 40% des Effektes auf Windenergieanlagen. Das bedeutet, für 1 MW Windenergie, das über Wind Futures abgesichert wird, wird etwa die 2,5fache Leistung an konventionellen Kapazitäten als Counterpart benötigt.

Es zeigt sich also, dass konventionelle Kraftwerke, hier am Beispiel von Kohlekraftwerken, grundsätzlich gut geeignet sind, um als Counterpart von Windkraftanlagenbetreibern in Bezug auf Wind-Futures zu agieren. Da die Kraftwerke hier sowohl das Risiko von Windertragsschwankungen dämpfen, als auch ggf. die Finanzierungskosten der Anlagen dämpfen, könnten sie hierfür von Windmüllern ggf. eine Risikoprämie verlangen.

Handlungsoptionen
Der Handel mit strukturierten Finanzprodukten, ob an der Börse oder bilateral, bietet viele Chancen, jedoch auch Herausforderungen.
Windkraftanlagenbetreiber sollten prüfen, wie stark ihre spezifische wirtschaftliche Situation mit dem übergeordneten Windertrag korreliert ist. Darauf basierend gilt es eine Hedging-Strategie zu entwickeln und ggf. bilateral oder börslich umzusetzen. Für die Betreiber von Windenergieanlagen ist dabei zu bewerten, welche Menge von Wind Futures notwendig ist, um das Risiko aus Ertragsabweichungen auszugleichen und welcher Preis hierfür angemessen ist.

Für die Betreiber von konventionellen Kraftwerken stellt sich die Frage, wie sich Ihre Wirtschaftlichkeit in Abhängigkeit der Entwicklung des Underlyings (Auslastung des Windanlagenparks in Deutschland) entwickelt. Dies bestimmt, mit welchen Volumina und Preisen diese Anlagen eine gegenläufige Position zu den Betreibern von Windenergieanlagen einnehmen können und welche Risikoprämien ggf. verlangt werden können. Diese Berechnung sollten für die Erzeugungseinheit individuell durchgeführt werden. Hierfür müssen Szenarien mit einem Strommarktmodell ausgewertet werden, um eine Aussage über die Deckungsbeiträge des Kraftwerksportfolios in verschiedenen Windjahren zu treffen.

Für andere Akteure (Börsen, Händler, Investoren, Banken) gilt es, ein grundsätzliches Verständnis der wirtschaftlichen Zusammenhänge herzustellen.

Aktuell erarbeitet enervis eine Kurzstudie zu dieser Fragestellung. Gerne stehen wir Ihnen für diezbezügliche oder anderweitige Rückfragen zur Verfügung.

enervis-Autoren
Julius Ecke, Daniel Peschel

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