„Weiterbetrieb von Altanlagen: Der Wind weht weiter!”

Die Förderung der ersten Windenergieanlagen ist mittlerweile volljährig. Zum 01.04.2000 wurde der Grundstein für die Erfolgsgeschichte der erneuerbaren Energien gelegt: Die Einführung des Erneuerbaren Energien Gesetzes (EEG). Dieses Gesetz ist nach mehreren grundlegenden Novellen heute immer noch wichtiger als jemals zuvor und regelt aktuell den Zugang zu einer Vergütung über Ausschreibungen. Das EEG sieht jedoch nur eine Förderung für eine Dauer von 20 Jahren vor. Viele Anlagenbetreiber stehen nun vor der Entscheidung, ob sie ihre Anlage nach dem regulären Förderungszeitraum von 20 Jahren außer Betrieb nehmen sollen, oder ob sich ein Weiterbetrieb lohnt. Dass der Anteil an Anlagen, die Ende 2020 aus der Förderung des EEGs fallen nicht zu unterschätzen ist und welche Möglichkeiten sich für den Weiterbetrieb ergeben, zeigt dieser enerviews.

Auslaufen der EEG-Vergütung

Das EEG sieht einen Förderzeitraum von 20 Jahren inklusive des Rumpfjahres, also dem Jahr der Inbetriebnahme vor. Verdeutlicht an einem Beispiel bedeutet dies: wurde eine Anlagen zum 1.8.2000 in Betrieb genommen, so läuft die Förderung am 31.12.2020 aus. Das EEG 2000 gilt nicht nur für Anlagen, die nach den 1.4.2000 in Betrieb gegangen sind, sondern auch für alle Bestandsanlagen, die in den Jahren davor in Betrieb gegangen sind. Ziel des Gesetzgebers war es damals auch, den frühen Pionieren der Windenergie einen Zugang zur Förderung zu gewährleisten. Somit laufen zum 31.12.2020 alle Anlagen aus dem EEG, die vor April 2000 in Betrieb genommen wurden.

Mengenpotenzial für den Weiterbetrieb

Insbesondere die Inbetriebnahmejahre vor 2006 sind für den kurz- bis mittelfristigen Weiterbetrieb von Bedeutung. Abbildung 1 zeigt die Menge und regionale Verteilung von Bestandsanlagen der Inbetriebnahmegenerationen bis 2005, welche von Ende 2020 bis 2025 sukzessiv aus der EEG-Förderung fallen – in Summe ganze 15 GW, wovon die Mehrheit in den nördlichen Bundesländern steht. Dies ist ein enormes Potenzial.

Wie viel von diesen Anlagen ab 2021 tatsächlich in den Weiterbetrieb gehen, wird durch technische und wirtschaftliche Aspekte entschieden. So muss etwa nach 20 Betriebsjahren die Standsicherheit nachgewiesen werden und generell die Möglichkeit zur Weiternutzung der Fläche bestehen. Daneben muss berechnet werden, ob das Projekt ohne EEG-Förderung wirtschaftlich betreibbar ist oder, ob am Standort ein Repowering mit modernen Anlagentypen rechtlich möglich und wirtschaftlich vorteilhafter wäre.

Zwei Fragen muss jeder Betreiber somit für sich beantworten:

  • Stehen dem Weiterbetrieb technische oder rechtliche Hürden im Weg?
  • Kann mit der Bestandsanlage am Strommarkt ein ausreichender Erlös erzielt werden, um die Betriebskosten zu decken?

Weiterbestehende Flächennutzung für den Weiterbetrieb

Windenergie ist zwar im Außenbereich privilegiert, doch fast alle Planungsregionen in Deutschland haben sich das Ziel gesetzt, den Ausbau in geordneten Bahnen zu steuern. Die Verteilung und die Lage der Vorranggebiete entwickeln sich über die Jahre immer weiter und insbesondere Bundesländer mit geringen Restriktionen in der Vergangenheit überarbeiten nach und nach Ihre Planungen, um die Windenergie neu zu ordnen und Windparks zu konzentrieren. enervis hat analysiert, wie viele der Altanlagen innerhalb eines aktuellen Vorranggebietes stehen – am Beispiel von Brandenburg, immerhin knapp 80% der Anlagen. In anderen Bundesländern ist der Anteil teilweise jedoch deutlich geringer.

Liegt eine Bestandsanlage im Vorranggebiet, besteht theoretisch die Möglichkeit zum Repowering – häufig die wirtschaftlichste Variante. Stehen die Anlagen nach dem aktuellen Planungsdokument jedoch nicht mehr in einer solchen Fläche oder standen sogar nie in einer, ist der Weiterbetrieb der einzige Weg am Standort weiterhin Windenergie zu gewinnen.

In diesem Fall muss ein Standsicherheitsnachweis erbracht werden, der belegt, dass die Anlage weiterhin sicher betrieben werden kann und keine Gefahr für Dritte darstellt. Die Ausgaben für diesen Nachweis müssen dann jedoch in den kommenden Betriebsjahren wieder erwirtschaftet werden.

Betriebskosten – der entscheidende Faktor für den Weiterbetrieb

Nur wer seine Betriebskosten auch in der dritten Dekade in einem überschaubaren Rahmen halten kann, wird einen wirtschaftlichen Weiterbetrieb umsetzen können. Abbildung 2 zeigt exemplarisch historische Betriebskosten von Bestandsanlagen.

 

Je nach Anlagenalter und -typ lagen die Betriebskosten zwischen teilweise unter 10 und mehr als 50 €/MWh mit steigender Tendenz, vor allem in Hinblick auf das Erreichen der dritten Betriebsdekade. Nicht zuletzt spielt im Weiterbetrieb das Wartungskonzept des Betreibers eine entscheidende Rolle. So ist eine Möglichkeit, zugunsten niedriger Betriebskosten nur absolut notwendige Maßnahmen durchzuführen, worunter jedoch die Restlebensdauer leiden könnte. Neben diesem „Fahren auf Sicht“ stehen ausgewogenere Konzepte, die klar auf eine möglichst lange Weiterbetriebsdauer ausgelegt sind, jedoch zu deutlich höheren Betriebskosten führen.

Neben der absoluten Höhe der Kosten im Weiterbetrieb spielt auch die Struktur eine wichtige Rolle. Ein hoher Anteil variabler Betriebskosten führt in einer Post-EEG-Welt zu einem veränderten Dispatch-Verhalten der Anlagen, denn nur in Stunden, in denen der Strommarkt die variablen Kosten abdeckt, ist der Betrieb lukrativ. Wenn daneben noch der Einfluss der Einsatzweise auf den Verschleiß von Komponenten berücksichtigt wird, dann entsteht eine mehrstufige Optimierungsaufgabe, bei der neben variablen Betriebskosten am Strommarkt auch die Lebensdauerverlängerung durch gezielte Abregelung in Starklaststunden einbezogen wird.

Vermarktung nach Ende der EEG-Förderung

Die Vermarktung des Stroms am Strommarkt außerhalb des EEGs stellt viele Betreiber vor eine neue Herausforderung. Viele Betreiber wünschen sich einen Stromabnehmer, mit dem einen bilateraler Vertrag oder PPA geschlossen wird. Dieser strukturiert die Erlössituation aus Betreibersicht über ein oder mehrere Jahre hinweg und gibt somit eine gewisse Erlössicherheit über diesen Zeitraum. Vielfältige Modelle vom Festpreis über fixe Mindestpreise bis hin zu voll indexierten PPAs sind dabei denkbar. Daher ist die Entwicklung des Strommarkts entscheidend für einen lukrativen Weiterbetrieb.

Der Kernkraft- und evtl. Kohleausstieg, die Entwicklung von Brennstoff- und CO2 Preisen, sowie nicht zuletzt der Zubau weiterer EE-Anlagen, wird den zukünftigen Strommarkt dabei prägen und je nach Ausprägung die notwendigen Erlöse für Bestandsanlagen ermöglichen. Doch Vorsicht ist geboten, denn gerade Bestandsanlagen in Gebieten mit hoher Windenergiekonzentration müssen immer mehr Abschläge im Vergleich zum mittleren Windenergieportfolio hinnehmen. Denn ihr Einspeiseprofil führt häufig dazu, dass im Durchschnitt nur in den Stunden mit weniger hohem Strompreis am Großhandelsmarkt erzeugt wird.

Um eine fundierte Einschätzung der Erlössituation von Bestandsanlagen zu bekommen, führt kein Weg um eine detaillierte Strommarktmodellierung, bei der nicht nur äußere Einflüsse, sondern auch die standort- und technologiespezifischen Effekte von Altanlagen berücksichtigt werden.

Exemplarisches Beispiel: Rechnet sich der Weiterbetrieb?

Die Frage, die sich Betreiber von Altanlagen, die 2021 aus der Förderung fallen nun stellen, ist: Lohnt sich der Weiterbetrieb oder muss die Windenergieanlage abgebaut werden? Um eine erste Einschätzung der Wirtschaftlichkeit des Weiterbetriebs zu geben, hat enervis für exemplarische Bestandsanlagen an typischen Standorten nahe der Küste und im Binnenland mit Hilfe eines aktuellen Strommarktszenarios die Erlöse berechnet. Unterstellt wurde dabei ein Anlageneinsatz, der sich an den variablen Kosten des jeweiligen Anlagentyps orientiert.

Um den Einfluss des Wartungskonzeptes auf die Wirtschaftlichkeit zu zeigen, wurde sowohl ein „Fahren auf Sicht“ mit begrenzten Wartungsausgaben, als auch ein nachhaltigeres Konzept mit höheren Wartungskosten simuliert.

Aufgrund der individuellen Kosten- aber auch Erlössituation einzelner Windparks geben nachfolgende Ergebnisse nur einen groben Einblick in die Wirtschaftlichkeit. Für die Entscheidungsfindung zum Weiterbetrieb in den individuellen Windparks wird eine standortspezifische Erlössimulation empfohlen. Untersucht wurden 5 exemplarische Standorte mit jeweils unterschiedlichen Anlagentypen der <0,5MW Klasse bis hin zur 1,5-2 MW Klasse für den Weiterbetriebszeitraum 2021-2025. Dabei wurden für jedes Wartungskonzept die Erlöse in Abhängigkeit des Dispatch-Verhaltens kalkuliert und Betriebskosten abgezogen. Die Tabelle in Abbildung 3 gibt für jeden dieser Fälle eine Indikation zur wirtschaftlichen Vorteilhaftigkeit anhand eines Vergleichs der resultierenden Erlöse nach Betriebskosten im Verhältnis zur Situation im 20. Jahr der EEG-Vergütung (ohne Betrachtung von Steuereffekten). Ein negativer Wert bedeutet also, dass im Weiterbetrieb kein Gewinn erzielt werden kann, ein positiver Wert deutet auf eine wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit hin, die jedoch hinter der Gewinnsituation im 20. EEG-Jahr zurückbleibt.

Es zeigt sich, dass die Wirtschaftlichkeit in Abhängigkeit vom WEA-Typ, sowie des Wartungskonzepts stark variiert. Im Standardwartungskonzept ist diese nur in einzelnen Fällen darstellbar, wird dagegen ein Fahren auf Sicht mit geringen Wartungs- und Instandhaltungsaufwendungen gewählt, so sind durchaus relevante Gewinne aus dem Weiterbetrieb erzielbar, die jedoch hinter den sehr auskömmlichen Erlösen aus dem EEG zurückbleiben.

Fazit

Der Weiterbetrieb kann für einige Betreiber die passende Option sein, allerdings müssen dabei die Betriebskosten und Vermarktungsmöglichkeiten genau analysiert werden. Dabei ist zu beachten, dass der Betrieb der Anlagen voraussichtlich eine andere Struktur hat, als er es noch im EEG hatte. Der Betreiber muss auf den Strommarkt reagieren und seine Anlage nur bei entsprechend hohen Strompreisen betreiben. Das Ziel darf nicht mehr wie bisher eine möglichst hohe Anzahl an Betriebsstunden sein, sondern eine optimierte Fahrweise der Anlage, die auf der einen Seite in Stunden mit hohen Strommarkterlösen einspeist und auf der anderen Seite die einzelnen Komponenten der Anlagen schont und somit zu möglichst wenig Ausfällen und geringen Wartungskosten führt.

enervis bietet die passende Unterstützung für den Weiterbetrieb

enervis bietet zu diesem Thema ein kostenfreies Webinar am 24. Juli 2018, 11:00 bis 11:40 Uhr an. Hier können Sie sich dazu anmelden.

Darüber hinaus bietet enervis eine umfangreiche Weiterbetriebsstudie und einen Inhouse-Workshop zum Thema Weiterbetrieb an. Die Studie zeigt auf ca. 50 Folien explizit die Mengenpotenziale und die Betriebskostenseite für den Weiterbetrieb auf. Daneben wird auch anhand eines aktuellen Strommarktszenarios die Erlösseite betrachtet und für exemplarische Standorte und Anlagentypen eine Abschätzung der Wirtschaftlichkeit getroffen. Diese und weitere individuelle Fragestellungen können auch im Inhouse-Workshop erörtert und diskutiert werden.

Ihr Ansprechpartner bei enervis

Herr Daniel Peschel Daniel.Peschel@enervis.de
Tel. 030 695 175 29
Herr Fritz Halla Fritz.Halla@enervis.de
Tel. 030 695 175 31


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