Die geplanten EEG-Sonderausschreibungen: Licht am Ende des Tunnels

Das Jahr 2017 wird für viele Akteure aus der Windbranche als verlorenes Jahr in die Geschichte eingehen. Der unerwartet große Erfolg von Bürgerenergiegesellschaften (BEG) in den ersten drei Ausschreibungsrunden hat genehmigte Projekte weitgehend aus den Zuschlägen verdrängt und damit für große Zukunftssorgen auf allen Ebenen der Wind-Wertschöpfungskette von Herstellern über Projektierer bis zu den Dienstleistern geführt. Im Kontext der aktuellen Regierungsbildung und einer sich abzeichnenden Verfehlung der Klimaziele für das Jahr 2020 will die Politik nun zeitnah reagieren und die absehbare Inbetriebnahme-Lücke möglichst rasch schließen. Zu diesem Zweck sind zusätzliche Ausschreibungsmengen geplant. Dieser enerviews zeigt den aktuellen Diskussionsstand betreffend dieser Sonderausschreibung und des Moratoriums für genehmigungsfreie BEG-Gebote auf.

„Fadenriss“ für die Windbranche
Das Bürgerenergieprivileg nach §36g EEG hat 2017 dazu geführt, dass Windenergieanlagen schon vor Erlangung der BImSchG-Genehmigung an den Ausschreibungen teilnehmen und in allen drei Runden nahezu alle Zuschläge auf sich vereinen konnten. Da sich ein Großteil dieser Projekte noch sehr früh im Projektentwicklungsstadium befindet und eine zeitnahe Inbetriebnahme daher nicht abzusehen ist, befürchtet die Branche eine abrupte Flaute beim Windenergieausbau. Ein solcher Fadenriss würde vor allem Hersteller von Windenergieanlagen aber auch alle anderen Elemente der Wertschöpfungskette betreffen und die Industrie als solche gefährden.

Klimaschutzziele für 2020 und politische Handlungsoptionen
Im Hinblick auf die Erreichung der Klimaziele für 2020 (Treibhausgasreduktion um mindestens 40% im Vergleich zum Basisjahr 1990) erweist sich das Bürgerenergie-Debakel aus 2017 als weiterer Sargnagel. Doch auch wenn die sich abzeichnende Neuauflage der großen Koalition das Erreichen der 2020-Ziele offiziell als nicht realisierbar erklärt hat, sieht der aktuell zur Abstimmung stehende Koalitionsvertrag weitreichende Maßnahmen zur Schließung der CO2-Lücke vor. Sollten diese Maßnahmen umgesetzt werden, sorgen sie für Licht am Ende des BEG-Tunnels der Windbranche.

Der GroKo-Koalitionsvertrag und das Thema Sonderausschreibungen
Der Koalitionsvertrag (Seite 71) sieht Maßnahmen im EE-Bereich vor, die Emissionsreduktionen von acht bis zehn Millionen Tonnen CO2 einsparen und Deutschland damit zumindest näher ans Klimaschutzziel 2020 bringen sollen. Mittel der Wahl dafür sind Sonderausschreibungen für Wind und Photovoltaik. Sage und schreibe vier Gigawatt Onshore-Windenergie und weitere vier Gigawatt Photovoltaik sollen zusätzlich zu den bekannten EEG-Mengen ausgeschrieben werden – jeweils zur Hälfte wirksam in den Jahren 2019 und 2020. Dies steht laut Koalitionsvertrag unter der nicht näher definierten Voraussetzung einer Aufnahmefähigkeit der „entsprechenden“ Netze. Trotzdem sorgt die Ankündigung zusätzlicher und recht kurzfristig verfügbarer Nachfragemengen bei der unter Druck stehenden Branche für Aufatmen.

Ein weiteres erwähnenswertes Element des Koalitionsvertrages ist die Forderung nach einer besseren Synchronisierung von Erneuerbaren Energien und Netzkapazitäten. Dies wäre in erster Linie dadurch zu erreichen, dass EE-Zubau zukünftig näher an den Verbrauchszentren im Westen und Süden stattfindet. Vor allem die südlichen Bundesländer Baden-Württemberg und Bayern würden nach nahezu erfolglosen Ausschreibungsrunden in 2017 deutlich profitieren.

Welches Instrument die mutmaßlich neue Bundesregierung hierzu anwenden wird – regionale Quoten oder Mindestmengen wären denkbar – bleibt vorerst abzuwarten. Sollte aber die Zubaugrenze von rd. 900 MW/a für das Netzausbaugebiet nach EEG 2017 bestehen bleiben, führt alleine die oben dargestellte Ausweitung der Ausschreibungsmenge zu einer de facto Quote: der zusätzliche Zubau von Wind würde dann außerhalb des Netzausbaugebietes stattfinden (müssen).

Und auch dem Thema Bürgerenergie widmet sich der Koalitionsvertrag. So sollen zukünftig ausschließlich bundesimmissionsschutzrechtlich genehmigte Windenergieprojekte an den Ausschreibungen teilnehmen können. Das derzeit bis Mitte 2018 befristete BEG-Moratorium würde damit zur Regel, die Ausnahme der Genehmigungsfreiheit für BEG damit dauerhaft abgeschafft. Hierdurch sollen die offensichtlichen Nachteile (Fadenriss und ungewisse Realisierungsquote) zukünftig vermieden werden.

Weitere Forderungen des Bundesrates sowie von Verbänden
Noch bevor die Bundesregierung in spe im Koalitionsvertrag auf die Probleme der Windbranche einging, haben einzelne Bundesländer im Bundesrat Initiativen gestartet und damit teilweise auch Forderungen von Erneuerbaren-Verbänden in ein Gesetzesvorhaben umgesetzt.

Bereits am 2. Februar hat der Bundesrat auf Antrag Nordrhein-Westfalens beschlossen, weitreichende Änderungen am EEG 2017 zu fordern. Dies in Form eines Gesetzentwurfs der zur Abstimmung an die Bundesregierung und den Bundestag geht. So sollen schon im aktuellen Jahr 2018 in der dritten und vierten Ausschreibungsrunde Wind Onshore zusätzliche Kapazitäten bezuschlagt werden. Die Rede ist von zusätzlich 450 MW in der Runde am 1. August und 950 MW am 1. Oktober. Daneben enthält der Vorschlag eine einmalige Verkürzung der Realisierungsfrist auf 21 Monate für die Auktionsrunde am 1. August – dies mit dem Ziel der kurzfristigen Schließung der erwarteten Ausbaulücke.

Wie der Koalitionsvertrag, jedoch nicht ganz so weitgehend, beinhaltet der Bundesratsbeschluss eine weitere Aussetzung der Genehmigungsfreiheit für BEG bis Anfang 2019.

Schon Ende des vergangenen Kalenderjahres haben Branchenverbände eine Anhebung des Ausschreibungsvolumens um ca. 1.500 MW in 2018 gefordert. Allen voran der Bundesverband der Windenergie e.V. (BWE), basierend auf einer von enervis erarbeiteten Studie zum Angebotspotenzial (die Studie kann hier heruntergeladen werden).

In welcher Form die zusätzlichen Ausschreibungsmengen der Bundesratsinitiative und des Koalitionsvertrages noch aufeinander abgestimmt werden, ist noch nicht klar. Ebenso ungeklärt aber spannend ist die Frage, welche Form der Ausschreibung für die Zusatzmengen gewählt wird – technologiespezifisch, technologieübergreifend oder sogar in Kombination mit Innovationsanreizen?

Fazit: Sonderausschreibungen und EEG-Anpassung
Die Ankündigung von Sonderausschreibungen sowie die Festlegung auf eine dauerhafte Aussetzung der BEG-Privilegien sorgen in der EE-Branche für verhaltenen Optimismus. Sollte die Regierungsbildung nun ohne weitere Überraschung voranschreiten und die neue Bundesregierung sich möglichst zeitnah der Baustelle EEG annehmen, so ist in der Tat mit einer Entspannung der Situation für genehmigte Windprojekte zu rechnen. Aber auch für den PV-Markt bedeutet die geplante Zusatzmenge von 4 GW eine umfangreiche Ausweitung des Nachfragepotenzials (bisher werden lediglich 600 MW/a für Freiflächen-PV ausgeschrieben).

Für den Windmarkt ist die Frage zu beantworten, ob es bei einer deutlich erhöhten Nachfrage zu einem kurz- bis mittelfristigen Engpass an genehmigten Projekten kommt. Hier kommt es vor allem auf die Perspektiven der Vielzahl derzeit beantragter BImSchG-Genehmigungen an, die bereits in den Startlöchern stehen. Diese laufenden BImSchG-Verfahren müssen nun rasch vorankommen, damit der erweiterten Nachfrage dann auch ausreichend Angebot gegenüber steht. In jedem Fall dürften die Verlockungen der geplanten Sonderausschreibungen die stark unterdurchschnittlichen Genehmigungsmengen des letzten Jahres wieder merklich verstärken.

Auch das Abschneiden der Windenergie in der ersten gemeinsamen Ausschreibungsrunde mit PV am 1. April sowie die Ausgestaltung der mutmaßlichen grenzüberschreitenden Ausschreibungen in diesem Jahr, stellen aktuell noch Unbekannte in der Frage nach Angebot und Nachfrage bei den künftigen Windauktionen dar.

enervis begleitet die Ausschreibungsmärkte für Wind und PV bereits seit ihrer Entstehung und bietet eine umfangreiche Palette an Beratungsleistungen zur Analyse und Prognose des Wettbewerbsniveaus, der Angebotsmengen sowie der erwarteten Gebotspreise an.

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