Alle Jahre … nicht schon wieder! Negative Strompreise am Day-Ahead Markt während der Feiertage

In den vergangenen Jahren hat sich eine Entwicklung eingestellt und verfestigt, die fast so sicher ist wie die Geschenke unter dem Weihnachtsbaum: negative Strompreise am Day-Ahead Markt während der Feiertage. Auch für das Jahr 2017 ist davon auszugehen, dass die Preise an der EPEX Spot vom 23. bis 26. Dezember wieder negativ werden. Hintergründe dieses besonderen „Weihnachtsgeschenks“ sowie einen Ausblick zur längerfristigen Entwicklung negativer Strompreise liefert dieser enerviews.

Negative Strompreise zwischen 24. und 26. Dezember

Eine Analyse historischer Strommarktnotierungen der vergangenen 9 Jahre, seit Einführung negativer Gebote am Day-Ahead Markt, bringt eine allgemein vermutete Tatsache zutage. Zwischen dem 24. Und 26. Dezember dieser Jahre traten im Durchschnitt 12 Stunden mit Großhandelsstrompreisen unter 0 €/MWh für die Gebotspreiszone DE-AT auf. Abbildung 1 zeigt den Verlauf für die Stundenpreise an der EPEX Spot für diesen Zeitraum seit 2008.

Mit Ausnahme von 2010 wies jedes der untersuchten Jahre an mindestens einem der drei Betrachtungstage negative Preise auf. Deren Anzahl nahm im Zeitverlauf auf insgesamt 28 Stunden im Jahr 2016 alleine an den Weihnachtstagen zu. Dass negative Strompreise eine Vielzahl von Ursachen haben, ist bekannt, die jährliche Häufung zu Weihnachten lohnt jedoch einen genaueren Blick.

Gründe für negative Strompreise
Die Ursachen für das Auftreten negativer Strompreise sind vielfältig, nachfolgende Auflistung bietet eine Übersicht über die Haupttreiber:

• Inflexibilität im konventionellen Kraftwerkspark: technische Restriktionen wie An- und Abfahrgradienten und damit verbundene Kosten machen das „Durchfahren“ negativer Preisstunden trotz der verbundenen Kosten wirtschaftlich rational

• Must-run-Betrieb, z.B. für Bereitstellung von Prozess- oder Fernwärme: Vor allem KWK-Anlagen im Fernwärmenetz oder in Industriebetrieben können ihre Leistung nur wenig drosseln, da weiterhin Wärme bereitgestellt werden muss.

• Vorhaltung von Leistung für Systemdienstleistungen: Wenn sich Kraftwerke zur Vorhaltung von (negativer) Regelleistung verpflichtet haben, müssen sie gemäß Fahrplan in Betrieb bleiben, um bei Abruf Regelleistung bereitzustellen.

• Marktprämie von Erneuerbaren Energien: Anlagen, die eine Vergütung nach dem Marktprämienmodell erhalten, werden so lange weiterbetrieben, wie der Day-Ahead Preis höher liegt als ihre negative Marktprämie. Bei leicht negativen Preisen ist der Betrieb aufgrund der arbeitsbasierten Förderung weiterhin vorteilhaft ggü. dem Herunterregeln. Eine Reaktion geförderter Anlagen erfolgt damit nur bei stark negativen Preisen.

• Inflexible Last: Stromnachfrager können ihren Bedarf nur bedingt kurzfristig in Abhängigkeit des Strompreises anpassen, d.h. bei negativen Preisen kann die Nachfrage nur begrenzt angehoben werden.

• Begrenzte Kuppelkapazitäten in benachbarte Märkte: Ein Überangebot an (günstigem) Strom könnte in Nachbarländer exportiert werden, was die Nachfrage erhöht und damit den Preis ansteigen lässt. Die Übertragungskapazitäten in diese Märkte sind aber technisch beschränkt und werden nur langsam ausgebaut.

• Handelsstrategien- und Zeitpunkte: Vor allem an Feiertagen und zum Teil Wochenenden wird das sogenannte „Sleeping“ beobachtet. Handelsabteilungen sind dabei nicht durchgehend besetzt und Kauf- und Verkaufsorders werden mehrere Tage im Voraus getätigt und bei erst kurzfristig auftretenden Abweichungen bzw. Extrempreisen nicht mehr angepasst.

Abbildung 2 zeigt für die Weihnachtsfeiertage des Jahres 2016 den Kraftwerkseinsatz nach Kraftwerkstechnologien sowie den stündlichen Day-Ahead Strompreis.

Diese Darstellung zeigt unter anderem, dass während negativer Strompreisen nur geringe Einsenkung der Einspeisung von Kernkraft oder Braunkohlekraftwerken stattfindet. Dazu kommt eine wochenend- bzw. feiertagsbedingte geringe maximale Stromnachfrage von nur ca. 60 GW (24.12.16 Samstag). Zur gleichen Zeit kann eine sehr hohe Einspeisung aus Erneuerbaren Energien (i. W. Wind) beobachtet werden, die bei etwa 30 GW liegt. Davon befinden sich fast alle Kapazitäten im Marktprämienmodell und bieten somit i.d.R. mit der negativen Marktprämie (technologiespezifisch) in den Markt. Aufschluss über dieses Gebotsverhalten bietet Abbildung 3, welche als Beispiel die Gebotspreiskurve für die 7. Stunde des 26.12.2016 an der EPEX Spot Day-Ahead Auktion zeigt.

Neben einem Angebotsblock von ca. 20 GW zum technischen Mindestpreis von -500 €/MWh, der zum größten Teil auf konventionelle Kraftwerke zurückzuführen ist, existiert ein weiteres Band von ca. 10-15 GW mit Gebotspreisen zwischen -65 und -80€/MWh. Bei einem Referenzmarktwert von ca. 24 €/MWh im Dezember 2016 für Wind ergibt sich für WEA mit anzulegenden Werten (inkl. Boni) von ca. 90-100€/MWh dieser Gebotspreiskorridor.

Entwicklung negativer Strompreise
Neben einem vertieften Verständnis der Hintergründe der alljährlichen negativen Strompreise zu den Weihnachtsfeiertagen ist natürlich für Marktakteure eine Einschätzung der zukünftigen Entwicklung negativer Strompreise von Belang. Denn das Auftreten negativer Strompreise führt nicht nur zu Erlösverlusten aller Kraftwerksbetreiber, die zu diesen Stunden am Strommarkt anbieten (müssen), sondern er führt auch bei den Betreibern größerer EEG-Anlagen mit Förderung nach dem EEG in vielen Fällen zum Ausfall der Vergütungszahlungen. Grundlage dafür ist der §51 im EEG 2017, der vorsieht, dass für Neuanlagen ab 2016 in Blöcken von 6 oder mehr aufeinanderfolgenden negativen Preisen am Day-Ahead-Markt keine Marktprämie ausbezahlt wird.

enervis berechnet regelmäßig im Rahmen von Strommarktmodellierungen die zukünftige Häufigkeit von negativen Strompreisen und 6-Stunden Intervallen. Abbildung 4 zeigt einen Ausschnitt aus einem aktuellen Szenario für die Jahre 2018 bis 2025.

Erkennbar wird, dass historisch gesehen das Jahr 2015 eine sehr hohe Anzahl negativer Strompreise gezeigt hat und die Anzahl 2016 dann leicht abgefallen ist. Die Modellierung der zukünftigen Häufigkeit zeigt einen erneuten Anstieg bis zum Jahr 2019, welcher dann von einem Rückgang bis zum Jahr 2021 abgelöst wird. Ein Unsicherheitsfaktor hierbei ist vor allem die Einspeisung aus Erneuerbaren Energien an bestimmten Feier- und Brückentagen sowie das Wetterjahr.

Doch was sind die Gründe für diese mögliche zukünftige Entwicklung? Folgende Auflistung gibt eine Übersicht über mögliche Treiber und deren Wirkung auf die Häufigkeit negativer Strompreise.

• Rückgang Inflexibilität: Alte Kern-, Braunkohle und Steinkohlekraftwerke gehen sukzessive vom Netz.
• EE am Regelenergiemarkt: Produkte am Regelleistungsmarkt werden flexibilisiert und Erneuerbare präqualifiziert, wodurch konventionelle Kraftwerke weniger Leistung vorhalten müssen
• Ausbau Kuppelkapazitäten: Übertragungsleitungen in andere europäische Staaten (AT, FR, PL, DK, NO) werden ausgebaut
• Rückgang Marktprämie aufgrund EE-Auktionsergebnissen: sinkende anzulegende Werte führen im Marktprämienmodell automatisch zu sinkenden Marktprämien und damit weniger stark negativen Geboten der EE
• Marktgetriebener EE-Ausbau mit positiven Grenzkosten und -geboten: EE-Projekte ohne Förderung bieten zu ihren (positiven) Grenzkosten, da nur so ein Deckungsbeitrag erwirtschaftet werden kann. Negative Gebote von EE-Anlagen außerhalb des EEG treten daher nicht mehr auf.
• Perspektivisch Anstieg der Stromnachfrage durch Sektorenkopplung: Kopplung des Stromsektors mit dem Verkehr- und Wärmesektor führt dazu, dass die Bruttostromnachfrage ansteigt und es weniger Stunden mit niedriger Residuallast gibt.

Fazit
In welchem Umfang die einzelnen Entwicklungen eintreten werden, muss im Rahmen von verschiedenen energiewirtschaftlichen Szenarien analysiert werden. Unter der Prämisse, dass langfristig ein Zubau von Erneuerbaren am Strommarkt ohne EEG-Förderung wirtschaftlich wird, lässt sich jedoch festhalten, dass die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten negativer Strompreise deutlich absinkt.

Unter Umständen könnten somit bereits zur Mitte des kommenden Jahrzehntes kaum mehr Negativpreise an der Strombörse beobachtet werden. Zukünftige EE-Anlagen, die vornehmlich marktgetrieben errichtet werden, bewirken somit durch ihr geändertes Einsatzverhalten und die damit einhergehenden Ertragsreduzierungen, dass unter dem EEG heute errichtete Anlagen von den Auswirkungen des §51 entlastet werden.

Für EE-Projekte bedeutet das jedoch nicht automatisch eine Entwarnung im Hinblick auf Ertrags- und Erlösrisiken aus negativen Strompreisen. Denn wenn sie zukünftig zu ihren Grenzkosten in den Strommarkt bieten, so bedeutet dies, dass sie in den Stunden, in denen der Marktpreis unter den eigenen Kosten liegt, gar nicht betrieben werden. Somit entsteht an dieser Stelle im Vergleich zur technisch maximal möglichen Einspeisung ein Ertragsverlust, der bei der Planung der Anlagen berücksichtigt werden muss.

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