Auswirkungen des Erdgas-Preisverfalls auf Biomethan-BHKW und den Biomethanmarkt

Handlungsoptionen im Anlageneinsatz und in Bezug auf Lieferverträge
Die Erdgaspreise sind im freien Fall und führen zu weitreichenden Veränderungen in allen Segmenten der Energiewirtschaft. Betroffen ist hiervon auch die Wirtschaftlichkeit der Verstromung von Biomethan in EEG-geförderten BHKW und somit der Biomethanmarkt insgesamt.

Diese enerviews analysieren zentrale Effekte der aktuellen Preisentwicklungen und zeigen Handlungsoptionen im Anlageneinsatz und in Bezug auf Lieferverträge auf.

Entwicklung am Erdgasmarkt
Nachfolgende Abbildung zeigt die Entwicklung der Erdgaspreise (NCG-Spot) seit 2012. Die Entwicklung zeichnet ein beeindruckendes Bild. So sind die Preise von anfänglich über 25 €/MWh auf inzwischen unter 13 €/MWh gefallen. In allen Bereichen, in denen Biomethan mit Erdgas im Wettbewerb steht, setzt diese Entwicklung Biomethan unter Wettbewerbs- und letztendlich Preisdruck.

Auswirkungen auf die Biomethanverstromung
Das deutsche Biomethan wird zu einem Großteil der Verstromung in Blockheizkraftwerken mit Förderung nach EEG zugeführt. Dabei handelt es sich um BHKW, die ihre Stromerzeugung vollständig in das Netz der allgemeinen Versorgung einspeisen. Die betroffenen Anlagen verfügen mehrheitlich über Erdgas-Spitzenlastkessel und somit über Flexibilität für die wirtschaftliche Optimierung: wenn wirtschaftlich, so kann der Erdgaskessel anstatt des BHKW zum Einsatz kommt. Die BHWK erhalten eine Förderung nach EEG, ihre Wärmeerzeugungskosten bleiben im Zeitverlauf daher konstant. Somit ist die Wirtschaftlichkeit der BHKW direkt gefährdet, wenn die variablen Wärmeerzeugungskosten der Erdgaskessel durch sinkende Gaspreise unter die Wärmeerzeugungskosten des BHKW sinken. Dies dürfte, zumindest bei einer marktnahen Beschaffung der Gasmengen der Ersatzkessel, bei vielen BHKW inzwischen der Fall sein.

Dies betrifft alle EEG geförderten BHWK, sowohl mit fester Einspeisevergütung als auch insbesondere die Anlagen in der Direktvermarktung. Nachfolgende Abbildung zeigt ein Beispiel. Links dargestellt ist die Einsatzweise eines beispielhaften BHKW bei Erdgaspreisen von 25 €/MWh. Der Einsatzteppich repräsentiert dabei die 8.760 Stunden eines Jahres, die Farbe der jeweiligen Stunden zeigt die Auslastung des BHWK an. Erkennbar fährt das BHKW in guter Auslastung und zwar immer dann, wenn hinreichender Wärmebedarf besteht.

Rechts gegenübergestellt ist die Einsatzweise bei 13 €/MWh Gaspreis. Erkennbar geht die Auslastung deutlich zurück, auch etwaiger Teillastbetrieb lohnt kaum noch. Die Erzeugung wird in Stunden mit überdurchschnittlichen Strompreisen (Marktprämienmodell) konzentriert. Im Gegenzug gewinnt der Erdgaskessel deutlich an Auslastung.

In der energiewirtschaftlichem Praxis werden die Anlagen zum Teil gegen ihren mittleren EEG-Vergütungssatz (z.B. 200 €/MWh) optimiert. Dies gilt es jedoch zu vermeiden. Die Anlagen sollten stattdessen mit ihrem in der jeweiligen Bemessungsleistungsklasse geltenden Grenzvergütungssatz eingesetzt werden, der z.T. deutlich unter dem mittleren EEG Vergütungssatz liegt (z.B. 156 €/MWh). Dies hat zum Ergebnis, dass die Anlagen tendenziell weniger Strom erzeugen, aber sich die Deckungsbeiträge dennoch deutlich verbessern können.

Dies illustriert erste Konsequenzen für BHKW-Betreiber: Es gilt das Einsatzverhalten im Verhältnis zum Erdgaskessel neu zu optimieren, z.T. sind die bisherigen Vermarktungsstrategien zu hinterfragen. Dies gilt auch für Anlagen in der Einspeisevergütung, die zum Teil mit einer niedrigeren Bemessungsleistung betrieben werden sollten als bisher.

Bei vielen Anlagen dürften die niedrigen Gaspreise, zumindest perspektivisch, dazu führen, dass die Erzeugung soweit abgesenkt wird, bis der Gasverbrauch auf die in den Biomethanverträgen fixierte Mindestmenge (Take-or-Pay / ToP) zurückgefahren wird.

Auswirkungen auf den Biomethanmarkt
Geht man davon aus, dass die Verträge im deutschen Markt ein Take-or-pay Sockel von 85% Prozent (1) der mittleren Menge haben und alle BHKW im Markt diese Flexibilität nutzen, so würden hieraus ein Überschuss von bis zu 10 % des gesamten Marktvolumens resultieren (basierend auf der Annahme, dass 2/3 des Marktvolumens in BHKW verstromt werden).

Hier sei darauf hingewiesen, dass das EEG 2014 neue Biomethan-BHKW oder die Umstellung alter Erdgasanlagen praktisch ausschließt. Die Biomethanerzeuger und -lieferanten haben also kaum die Möglichkeit, durch die Erschließung neuer Nachfrage auf einen Rückgang der Mengen bei den Bestandskunden zu reagieren. Die Nachfrageseite des Marktes ist somit fixiert und kann die freiwerdenden Mengen nicht einfach an anderer Stelle absorbieren.

Sollte der Erdgaspreis auch mittelfristig niedrig bleiben, ist von einem wachsenden Preisdruck auf den Biomethanmarkt auszugehen. Dies zumindest so lange, bis sich auf dem Biomethanmarkt für die Überschussmengen ein neues Preisgleichgewicht mit dem nun niedrigen Erdgaspreis gefunden hat.

Implikationen für die Marktakteure
Betreiber von BHKW sollten mit geeigneten Wirtschaftlichkeitsüberlegungen ihren Anlageneinsatz optimieren. Hier sind zum Teil deutliche wirtschaftliche Verbesserungen möglich. Wir stehen Ihnen hier gern beratend zur Verfügung.

Vor dem Hintergrund der für den Biomethanmarkt drohenden Verwerfungen droht eine kaskadierende Anpassung von Verträgen auf allen Marktstufen. Marktteilnehmer müssen alle Optionen von Revisions- oder ggf. Wirtschaftlichkeitsklauseln ausschöpfen, um den Schaden zu begrenzen. Wir unterstützen Sie gern bei der Ausgestaltung ihrer Argumentation zur Vorbereitung kommerzieller Gespräche, sowie als Gutachter in Schiedsverfahren.

Verbraucher bzw. die BHKW-Betreiber haben in den anstehenden Diskussionen eine gut vertretbare Position, um Preisanpassungen zur Herstellung der Wettbewerbsfähigkeit ggü. Erdgas zu fordern und das BHKW wieder stärker ausfahren zu können. Insbesondere für flexible Mengen, die über den ToP-Sockel der Verträge hinausgehen, sind ggf. auch kurzfristige Nachverhandlungen denkbar.

Fußnoten
(1) Diese Annahme ist hier aus rein illustrativen Gründen gewählt.

enervis-Autor
Julius Ecke

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